Renateinhongkong

Mittwoch, März 31, 2010

Alte Chinesen

Wenn man das Leben alter Menschen in chinesischen Städten betrachtet, dann kann man sagen, dass ihre Vorliebe, in große Gruppen einzutauchen, besonders auffällig ist. Dies zeigt aus einem anderen Blickwinkel, dass sie es jahrzehntelang gewohnt waren, in einer Gemeinschaft zu leben. Es scheint, dass das Eintauchen in eine Gruppe ihnen ein stärkeres Sicherheitsgefühl und eine größere Selbstbestätigung gibt. Das ist vielleicht auch der größte Unterschied zu älteren Menschen in Deutschland.

Der Park des purpurnen Bambus im Pekinger Westen ist ein anschaulicher Beweis für meine Auffassung. Morgens um acht Uhr hat der erste Schwung alter Menschen den Park bereits verlassen, aber trotzdem geht es im Park noch äußerst lebhaft zu. Allein bei den Tanzenden gibt es viele verschiedene Gruppen, solche, die Volkstänze oder Tänze der nationalen Minderheiten üben, die Standardtänzer und auch einige, die sich im Hip Hop versuchen. Die Tänzer tragen außerdem einheitliche Kostüme, und mag auch die Figur nicht mehr so schön anzusehen sein, verleiht doch die bunte Kleidung den alten Menschen noch recht viel Schwung.

Ein anderes Bild sind die Chöre im Park. Jeder kann sich seinem gesanglichen Niveau entsprechend einem Chor anschließen und frühere revolutionäre Lieder, russische Lieder oder auch moderne Lieder schmettern. Alle hören sich noch recht gut an, vielleicht liegt es an der Fröhlichkeit, auf jeden Fall scheint noch genügend Luft vorhanden zu sein. Abgesehen vom Singen und Tanzen kann man auch etwas für die körperliche Fitness tun. Von Taiji bis zu Qigong gibt es ein breites Angebot, man kann machen, was das Herz begehrt und weiß kaum, wofür man sich entscheiden soll. Wenn man es mal modisch ausdrückt, sind die Parks zu „einem Meer des Spaßes“ geworden, und die alten Menschen, die die „Wellen“ schlagen, haben ein neues „Betätigungsfeld“, schließen neue Bekanntschaften und haben ein eigenes soziales Leben.

Kurz nach 11 Uhr verlassen die Menschenmassen die Parks, um das Mittagessen zuzubereiten oder auf die Enkel aufpassen. In Peking haben viele alte Menschen nach wie vor die Aufgabe, sich um die Enkel zu kümmern. Sie begleiten sie nicht nur auf ihren Schulwegen, sondern betreuen sie auch bei ihren Schulaufgaben. Sogar wenn die Kinder in ihrer Freizeit spielen, sitzen die Großeltern daneben und passen auf sie auf. In der Mittagszeit wird es dann ruhig in den Parks und man meint, in die Zeit von vor 20 Jahren zurück versetzt zu sein. Ich erinnere mich, dass mich damals gerade die vollkommen ruhige und gelassene Ungezwungenheit der alten Menschen, die in ihren Stoffschuhen lautlos umher liefen, fasziniert hat. Diese berückende Stille wird heute von einer Generation dynamischer alter Menschen durchbrochen.

Heutzutage gibt es in Peking nicht mehr viele über 60-Jährige, die Stoffschuhe tragen, aber fast alle haben ein Paar Sportschuhe, sei es um in den Bergen zu wandern oder um zu „walken“. Es kann aber auch sein, dass sie nur mit der Zeit gehen wollen. Die jetzige Generation alter Menschen in China hatte es in ihren jungen Jahren ziemlich schwer. Nun sind sie alt, doch es ist erlaubt, „sich selbst zu verwirklichen“, und deshalb finden sie sich nicht mehr nur seufzend ab, sondern gehen aktiv ihren individuellen Interessen nach. Ihrem Verständnis nach trägt „sich selbst etwas Gutes zu tun“ am besten zur Entfaltung der Persönlichkeit bei. Obwohl sie zwar nach wie vor sparsam leben, fangen sie an zu reisen und Geld für sich selber auszugeben.
Aus im Focus (deutsch- chinesisches Kulturnetz)